Kalt weht der Wind durch die verfallenden Gebäude. Schon lange sind die Fensterscheiben eingeworfen. Überall bröckelt der Putz von den Wänden. Die Mauern sind mit Graffitis beschmiert. Dennoch hat der Ort nichts von seinem Schrecken verloren. Wer durch die Gitter nach draußen blickt, kann noch immer die Beklemmung und Hoffnungslosigkeit von einst spüren.
Vor Kurzem trafen sich über 200 Besucher im einstigen Cottbuser Zuchthaus in der Bautzener Straße - darunter zahlreiche ehemalige Häftlinge und deren Angehörige. Sie diskutierten mit der neuen Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Ulrike Poppe, dem Schriftsteller und ehemaligen Häftling Siegmar Faust, dem Journalisten Dr. Tomas Kittan, der in einer jüngst veröffentlichten Arbeit die Geschichte des Zuchthauses untersucht hat und dem Menschenrechtsbeauftragten und Generalsekretär der CDU Brandenburg, Dieter Dombrowski, über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Haftanstalt.
Anlass war der 150. Jahrestag der Gründung des Gefängnisses, das heute vor allem als größte politische Haftanstalt der DDR in Erinnerung geblieben ist. Seit den 1970er Jahren waren fast 80% der Inhaftierten aus politischen Gründen verurteilt worden - insgesamt über 20.000 Häftlinge, unter ihnen auch Dieter Dombrowski.
1974 will der gelernte Maler in den Westen fliehen, wird an der Grenze gefasst und in Schwerin vor Gericht gestellt. Urteil? Vier Jahre Gefängnis wegen „versuchter Republikflucht".
Fast 20 Monate sitzt Dombrowski in Haft, davon einen Großteil der Zeit in Cottbus. Mit 28 Mithäftlingen, eingeteilt in jeweils sieben Vierstockbetten, muss er sich eine kleine Zelle teilen, stupide Arbeit in der Entgraterei verrichten. Erst 1976 wird er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft und engagiert sich seitdem für die Wiedergutmachung begangenen Unrechts.
„Für mich stehen die Opfer von einst im Mittelpunkt der Arbeit. Viele von Ihnen leiden noch heute an den Spätfolgen. Ihnen muss endlich geholfen werden - gerade hier in Brandenburg, wo 20 Jahre vieles unter den Teppich gekehrt wurde", fordert der 58-Jährige, der seit 2007 dem Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. vorsteht.
Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hat er in einem Außengebäude eine kleine Ausstellung aufgebaut und führt Gespräche mit dem heutigen Eigentümer der einstigen Haftanstalt - einem Bauunternehmer aus der Region. Sein Ziel? Eine große Begegnungs- und Erinnerungsstätte. Sie solle vor allem Jugendlichen und Schülern einen Einblick in das tausendfache Unrecht vermitteln, das hier begangenen wurde, sagt Dombrowski und erinnert daran, dass mehrere Wärter von einst für ihre brutale Mißhandlung der Gefangenen nachträglich verurteilt wurden. Ihrem Ziel sind seine Mitstreiter und er jedenfalls in den letzten Monaten näher gekommen. Land und Bund wollen das Projekt fortan finanziell unterstützen.